Verpackungen sind ein allgegenwärtiger Teil unseres modernen Lebens. Vom Joghurtbecher am Morgen bis zum Online-Paket am Abend sind sie unverzichtbar, um Produkte zu schützen, zu transportieren und zu präsentieren. Doch was passiert, wenn die Verpackung selbst ein Problem darstellt? Viele Verpackungsmaterialien enthalten chemische Substanzen, die nicht nur die menschliche Gesundheit und die Umwelt gefährden, sondern auch das Recycling erschweren oder unmöglich machen.
Die Europäische Union hat dieses Problem erkannt und leitet mit der neuen Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) eine neue Ära der Nachhaltigkeit ein. Ein zentraler Baustein dieser Initiative ist die Identifizierung und Minimierung von sogenannten „besorgniserregenden Stoffen“ (Substances of Concern, SoC). Um diesen komplexen Sachverhalt wissenschaftlich fundiert anzugehen, hat die Europäische Kommission die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) mit einer umfassenden Studie beauftragt. Dieses Mandat ist ein entscheidender Schritt, um unsere Regale sicherer und unsere Wirtschaft wirklich zirkulär zu machen.
Das Problem im Detail: Was sind „besorgniserregende Stoffe“?
Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen Kuchen backen, aber eine Zutat verdirbt nicht nur den Geschmack, sondern macht auch das Aufräumen der Küche unmöglich. So ähnlich verhält es sich mit besorgniserregenden Stoffen in Verpackungen.
Gemäß der EU-Verordnung sind dies Substanzen, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften ein Risiko darstellen. Dazu gehören Stoffe, die:
- Krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind.
- Hormonelle Systeme stören (endokrine Disruptoren).
- Sich in der Umwelt anreichern und nur schwer abbaubar sind (persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe).
Diese Stoffe stellen eine doppelte Bedrohung dar:
- Chemische Sicherheit: Sie können aus der Verpackung austreten und Lebensmittel kontaminieren oder bei der Entsorgung in die Umwelt gelangen, wo sie Ökosysteme und die menschliche Gesundheit schädigen.
- Kreislaufwirtschaft: Ihre Anwesenheit kann Recyclingprozesse stören. Entweder machen sie das recycelte Material unbrauchbar und von minderer Qualität, oder sie machen den Recyclingvorgang technisch zu aufwendig und wirtschaftlich unrentabel.
Das Ziel der PPWR ist klar: Die Menge dieser Stoffe in allen Verpackungsmaterialien muss auf ein Minimum reduziert werden.
Die Mission: ECHAs umfassender Untersuchungsauftrag
Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine solide Datenbasis. Genau hier kommt die ECHA ins Spiel. Die Europäische Kommission hat die Agentur beauftragt, bis September 2026 einen detaillierten Bericht vorzulegen. Diese Studie ist weit mehr als nur eine einfache Auflistung von Chemikalien; sie ist eine tiefgreifende Analyse des gesamten Verpackungsökosystems.
Der Auftrag für die ECHA gliedert sich in mehrere Schlüsselschritte:
1. Erstellung einer „Landkarte“ der EU-Verpackungen
Zunächst wird die ECHA eine umfassende Bestandsaufnahme aller Verpackungen vornehmen, die auf dem EU-Markt erhältlich sind. Dies umfasst eine Kartierung nach Material (Kunststoff, Papier, Glas, Metall etc.), Art (Flaschen, Dosen, Schachteln) und Verwendung. Dabei wird auch zwischen Verpackungen für sensible Inhalte (z.B. Lebensmittel) und andere Anwendungen unterschieden.
2. Identifizierung der chemischen „Zutaten“
Im nächsten Schritt wird eine Liste aller Substanzen erstellt, die bei der Herstellung von Verpackungen und ihren einzelnen Komponenten (z. B. Deckel, Etiketten, Klebstoffe) vorhersehbar verwendet werden. Die Untersuchung endet nicht bei der Herstellung; auch Stoffe, die während der Wiederverwendung oder des Recyclings entstehen oder eingesetzt werden, werden erfasst.
3. Aufspüren der Problemstoffe
Mit dieser umfangreichen Liste wird die ECHA jene Substanzen herausfiltern, die die Kriterien für „besorgniserregende Stoffe“ erfüllen. Für jeden identifizierten Stoff wird genau begründet, warum er als besorgniserregend eingestuft wird – sei es aufgrund von Risiken für die chemische Sicherheit oder wegen negativer Auswirkungen auf die Wiederverwertbarkeit.
4. Analyse der Auswirkungen
Die Studie wird auch untersuchen, in welchen Konzentrationen diese Stoffe typischerweise vorkommen. Zudem analysiert die ECHA die bestehenden Abfallströme und Recyclingtechnologien in der EU, um zu verstehen, wie die Problemstoffe die Effizienz dieser Systeme beeinträchtigen und welche Risiken für Arbeitskräfte in der Abfallwirtschaft und für die Umwelt bestehen.
5. Priorisierung für zukünftige Maßnahmen
Schließlich wird die ECHA eine Prioritätenliste von Stoffen erstellen, die möglicherweise im Rahmen der REACH-Verordnung (der zentralen EU-Chemikaliengesetzgebung) beschränkt werden sollten. Diese Liste wird als wissenschaftliche Grundlage für zukünftige Regulierungsentscheidungen der Kommission dienen.
Ein besonderer Fokus liegt auf PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), den sogenannten „Ewigkeitschemikalien“, die aufgrund ihrer extremen Langlebigkeit besondere Bedenken aufwerfen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Die Ergebnisse dieser wegweisenden Studie werden weitreichende Konsequenzen haben und die Verpackungsindustrie nachhaltig verändern:
- Bessere Gesetze: Der Bericht wird der Europäischen Kommission helfen, fundierte Entscheidungen über zukünftige Beschränkungen für schädliche Chemikalien zu treffen.
- Transparentere Kennzeichnung: Die gewonnenen Erkenntnisse werden zur Entwicklung neuer Kennzeichnungsvorschriften beitragen, die Verbraucher klar über das Vorhandensein besorgniserregender Stoffe in Verpackungen informieren.
- Verbessertes Recycling: Durch die Identifizierung von Störstoffen können die Kriterien für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen verfeinert werden. Dies fördert ein „Design for Recycling“, bei dem Produkte von Anfang an so konzipiert werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus leicht recycelt werden können.
- Anreize für Innovation: Hersteller werden motiviert, auf sicherere und nachhaltigere Alternativen umzusteigen, was Innovationen im Bereich der Materialwissenschaften vorantreiben wird.
Zeitplan für den Wandel
Der Prozess folgt einem klaren Zeitplan:
- März 2026: ECHA legt der Kommission einen Zwischenbericht vor.
- September 2026: Der endgültige Bericht wird veröffentlicht.
Basierend auf diesem Bericht wird die Kommission bis Ende 2026 weitere Maßnahmen vorschlagen, um die Verpackungslandschaft in Europa sicherer und nachhaltiger zu gestalten.
Zusammenfassung
Die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene ECHA-Studie ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft für Verpackungen. Sie schafft die wissenschaftliche Grundlage, um schädliche Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen, die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu erhöhen und die Wiederverwertbarkeit von Materialien drastisch zu verbessern. Für Verbraucher bedeutet dies mehr Transparenz und sicherere Produkte, während die Industrie klare Leitplanken für eine zukunftsfähige und nachhaltige Produktion erhält. Es ist ein komplexes, aber notwendiges Unterfangen, das sicherstellt, dass Verpackungen ihre Schutzfunktion erfüllen, ohne einen schädlichen Fußabdruck zu hinterlassen.
/https://www.echa.europa.eu/de/cfe-substances-in-packaging-and-packaging-waste