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PPWR: Test der Recyclingfähigkeit · Maresa Zimmermann, Henkel

 

In einem Interview für Packaging Journal auf der Fachmesse in Nürnberg habe ich über ein Thema gesprochen, das mir bei Henkel besonders am Herzen liegt: die tatsächliche Recyclingfähigkeit faserbasierter Verpackungen. Ich bin Maresa Zimmermann von Henkel Adhesive Technologies und verantworte dort die Frage, in welchen Anwendungen unsere Klebstoffe am Ende des Lebenszyklus tatsächlich recycelbar sind. In diesem Beitrag fasse ich unsere Erkenntnisse zusammen, erkläre, warum Klebstoffe eine größere Rolle spielen als viele denken, und zeige auf, wie wir bei Henkel mit einem eigenen Prüfzentrum in Düsseldorf Hersteller unterstützen, PPWR‑konforme Verpackungen zu entwickeln.

Warum faserbasierte Verpackungen nicht automatisch nachhaltig sind

Faserbasierte Verpackungen genießen einen guten Ruf: „Papier = grün“ ist eine weitverbreitete Annahme. Doch Nachhaltigkeit ist vielschichtig. Sie umfasst nicht nur das Material selber, sondern auch die Rohstoffherkunft, den CO2‑Fußabdruck in Produktion und Nutzung, Wiederverwendbarkeit und schließlich die tatsächliche Rückführung in einen Recyclingkreislauf.

Wichtig ist der Unterschied zwischen formaler und praktischer Recyclingfähigkeit. Genau hier liegt eine der größten Missverständnisse: Ein Material kann sich theoretisch recyceln lassen, in der Praxis aber nie wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden — sei es weil Konsumentinnen und Konsumenten unsicher sind, in welchen Behälter die Verpackung gehört, oder weil Sortierverfahren und Papierwerke das Material nicht korrekt erkennen und zuordnen.

„A package may be formally recyclable, but practically never recycled.“

Diese prägnante Formulierung aus unserem Whitepaper bringt das Problem auf den Punkt: Die Deklaration „recycelbar“ ist nicht automatisch ein Garant für tatsächliches Recycling.

Die Rolle von Klebstoffen: klein in der Menge, groß in der Wirkung

Als Klebstoffhersteller beschäftigen wir uns mit einem oft unsichtbaren, aber kritischen Baustein jeder Verpackung: den Klebstoffen. Zwar machen sie prozentual nur einen sehr kleinen Anteil an der Gesamtstruktur aus und sind häufig in Zwischenlagen verborgen — dennoch können sie über die gesamte Recyclingfähigkeit entscheiden.

Konkret betrifft das zum Beispiel Fälle, in denen verschiedene Materialien miteinander verbunden werden. Ein Klebstoff kann verhindern, dass diese Materialien während des Aufschluss‑ und Reinigungsprozesses im Papierwerk getrennt werden. Rückstände, Klebstoffanteile oder nicht abtrennbare Verbunde führen dazu, dass Fasern verunreinigt werden, die Qualität der Rezyklate sinkt oder das Material sogar vollständig aus dem Recyclingstrom aussortiert wird.

Was wir tun: getestete, nachgewiesene Klebstofflösungen

  • Wir entwickeln Klebstoffe gezielt unter Berücksichtigung der Recyclingprozesse und testen Anwendungen frühzeitig.
  • In unserem ICD Innovation Center in Düsseldorf haben wir Prüfkapazitäten aufgebaut, um die Recyclingfähigkeit von Klebstoff‑Anwendungen systematisch zu prüfen.
  • Ziel ist es, einen transparenten Nachweis zu liefern und bei geeigneten Anwendungen Klebstoffe als „recycelbar“ kennzeichnen zu können.

Wie wir prüfen: Veröffentlichung, Normen und der praktische Testablauf

Um verlässliche Aussagen treffen zu können, folgen wir etablierten Prüfverfahren. Für faserbasierte Verpackungen arbeiten wir nach dem CP‑Evergreen‑Ansatz — einem aktuell anerkannten Branchenstandard zur Bestimmung der Recyclingfähigkeit von Papierverpackungen. Dabei rekonstruieren wir zentral die Prozesse, wie sie in Papierfabriken stattfinden.

Der Prüfablauf lässt sich vereinfacht so beschreiben:

  1. Mechanisches Aufschließen (Pulping): Die Verpackungsstruktur wird in einer wässrigen Aufschlussphase aufgelöst, ähnlich wie im Altpapierprozess der Papierfabrik.
  2. Analyse des Waschwassers: Partikel, Klebstoffreste und andere Verunreinigungen werden im Waschwasser identifiziert und quantifiziert.
  3. Herstellung eines Testbogens: Aus den aufbereiteten Fasern wird ein sogenannter Testbogen geformt.
  4. Prüfung des Testbogens: Es werden sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien geprüft: Fasersatz/Ausbeute (wie viel nutzbare Faser bleibt), sichtbare Verunreinigungen (visual impurities), Klebrigkeit (stickiness) und die Eignung der Fasern für einen weiteren Recyclingzyklus.

Wichtig ist, dass nicht nur die Menge an Faserzuwachs zählt, sondern auch die Qualität dieser Fasern: Können sie nochmal in einem Papierprodukt eingesetzt werden oder sind sie durch Rückstände und Schäden unbrauchbar?

Herausforderungen in der Praxis

Bei der zunehmenden Verlagerung von Verpackungen von Kunststoff auf Papier entstehen neue Anforderungen an faserbasierte Verpackungen. Verbraucher erwarten, dass hochwertige Produkte — etwa Kaffee, Käse oder empfindliche Lebensmittel — genauso sicher und lange haltbar verpackt sind wie mit Kunststoff. Das führt zu komplexen Materialkombinationen und hohen Anforderungen an Barrieren und Dichtheit.

Typische Herausforderungen sind:

  • Multimaterialverbunde: Kombinationen aus Papier, Folie, Metall‑Laminaten oder Beschichtungen, die sich während des Recyclingprozesses nicht vollständig trennen lassen.
  • Barriereschichten und Beschichtungen: Sie sind notwendig für Produktschutz, aber viele Beschichtungen sind schwer zu entfernen oder stören die Aufbereitung.
  • Klebrigkeit und Partikelbildung: Haftende Rückstände führen zu Verschmutzungen im Rezyklat und zu technischen Problemen in Papierwerken.
  • Sortierbarkeit: Verpackungen müssen so gestaltet sein, dass sie von Sortieranlagen korrekt erkannt und zugeführt werden können.

Allerdings ist auch klar: Es gibt bereits zahlreiche positive Lösungsansätze. Für manche Bereiche wie Kaffee sehen wir funktionierende faserbasierte Lösungen. Andere, wie bestimmte Käseverpackungen, waren lange für unmöglich gehalten — und entwickeln sich gerade weiter. Fortschritte bei Barriereschichten und neuen Beschichtungsprinzipien können hier in den nächsten Jahren große Wirkung entfalten.

PPWR: regulatorischer Rahmen und die Bedeutung von „PPWR‑ready“

Die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) ist ein zentraler Treiber für Veränderungen in der Verpackungsbranche. Sie schreibt vor, dass bis 2030 bestimmte Vorgaben zur Recyclingfähigkeit eingehalten werden müssen. Konkret verweist Artikel 6 auf die Verpflichtung, recyclingfähige Verpackungen auf den Markt zu bringen. Das bedeutet für Hersteller und Zulieferer: Recyclability ist kein optionales Marketingargument mehr, sondern eine gesetzliche Anforderung.

Darüber hinaus steigen die Anforderungen an Recyclingquoten und die Qualität der Rückführung — die Schwellenwerte und Ambitionen werden weiter angehoben. Unternehmen müssen also heute schon „PPWR‑ready“ denken, damit Produkte in ein paar Jahren nicht nachträglich neu konzipiert werden müssen.

Früh testen, teuer neu entwickeln vermeiden

Einer der wichtigsten Punkte, den ich mitgebe: Testen Sie früh in der Entwicklungsphase. Wenn Klebstoffe, Beschichtungen und Materialverbunde erst am Ende eines langen Entwicklungsprozesses geprüft werden, kann ein negatives Prüfergebnis massive Konsequenzen haben — im schlimmsten Fall aufwendige Neuentwicklungen und Verzögerungen.

Deshalb bieten wir bei Henkel unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, bereits während der Entwicklungsphase Prüfungen in Düsseldorf durchzuführen. Das spart Zeit, Kosten und sichert gleichzeitig, dass Produkte später den Anforderungen entsprechen.

Praktische Tipps für Design‑for‑Recycling

Was sollten Marken, Designer und Entwickler konkret beachten? Hier eine kompakte Checkliste:

  • Materialwahl: Wenn möglich monomaterial oder leicht trennbare Kombinationen wählen.
  • Klebstoffauswahl: Frühe Abstimmung mit Klebstofflieferanten — nicht alle Klebstoffe sind gleich gut für das Recycling geeignet.
  • Beschichtungen überdenken: Barriereschichten so auswählen, dass sie für das entsprechende Recyclingverfahren kompatibel sind.
  • Sortierbarkeit: Klare Kennzeichnung und Designs, die von Sortieranlagen erkannt werden.
  • Frühe Tests: Nutze Prüfkapazitäten zur Validierung während der Entwicklung, nicht als finalen Check.
  • Transparente Kommunikation: Vermarktung als „recycelbar“ nur mit nachweisbarer Grundlage.

Blick nach vorn: Was erwarte ich bis 2027?

In drei Jahren wünsche ich mir, dass Recyclingfähigkeit nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal beworben wird, sondern zur Norm geworden ist. Das heißt: Die Kennzeichnung „recycelbar“ wird verbindlicher und belegbar, und die Diskussion verschiebt sich zu weiteren Aspekten der Kreislaufwirtschaft — etwa CO2‑Bilanz, Rezyklatanteil, Wiederverwendungskonzepte und höhere Qualitätsanforderungen an Rezyklate.

Wir bei Henkel sehen uns auf diesem Weg als Partner der gesamten Wertschöpfungskette: Wir entwickeln Klebstoffe, testen Anwendungen und arbeiten mit Kunden zusammen, damit Verpackungen nicht nur einen nachhaltigen Look haben, sondern tatsächlich in den Kreislauf zurückgeführt werden können.

Whitepaper, Prüfangebot und Kontakt

Unser Whitepaper fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und gibt Orientierung für Designer, Hersteller und Marken. Es steht zum Download bereit und erläutert die Prüfmethodik sowie praktische Beispiele und Empfehlungen für Design‑for‑Recycling.

Wenn Sie Interesse haben, Ihre Verpackung oder Klebstoffanwendung testen zu lassen oder wissen möchten, ob Ihre Konstruktion PPWR‑konform ist, erreichen Sie uns über die üblichen Kanäle. Nutzen Sie die Möglichkeit, Entwicklungen frühzeitig zu validieren — das spart Zeit und sichert den Markterfolg Ihrer nachhaltigen Verpackungslösungen.

Fazit

Recyclability ist kein Selbstläufer. Faserbasierte Verpackungen haben großes Potenzial, aber nur wenn Materialwahl, Klebstoffe, Beschichtungen und Design zusammenspielen und auf die realen Abläufe in Sortieranlagen und Papierwerken abgestimmt sind. Bei Henkel investieren wir in Prüfkapazitäten und Kooperationen, um frühzeitig Klarheit zu schaffen und praktikable Lösungen zu liefern. Lassen Sie uns die Transformation hin zu echten Kreislauflösungen gemeinsam gestalten — technisch fundiert, praxisnah und zukunftsorientiert.


Weitere Ressourcen und Kontakt

Wenn Sie das erwähnte Whitepaper herunterladen oder unser Prüfangebot in Düsseldorf nutzen möchten, freuen wir uns auf Ihre Anfrage. Unser Team beantwortet gern Fragen zur Prüfmethodik, zu Design‑for‑Recycling oder zu PPWR‑konformen Lösungen.

  • Whitepaper: Zusammenfassung der Erkenntnisse und Prüfmethodik.
  • Prüfangebot: Validierung von Klebstoffanwendungen während der Entwicklung.
  • Design‑for‑Recycling: Praktische Checkliste und Empfehlungen für Designer und Hersteller.

Kontaktieren Sie uns über die üblichen Kanäle oder über Ihr regionales Henkel‑Kundencenter, um einen Termin für Tests zu vereinbaren oder spezifische Fragen zu klären.