Die Einhaltung von Vorschriften bei bedruckten Lebensmittelverpackungen stellt weltweit eine komplexe Herausforderung dar. In diesem Artikel geben wir einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen an Lebensmittelkontaktmaterialien (FCM) mit Schwerpunkt auf Druckfarben. Dabei beleuchten wir globale Regelungen, einen tiefen Einblick in die europäische Gesetzgebung sowie die Konzepte der Druckfarbenindustrie, um die Sicherheitslücken zu schließen und sichere Verpackungen zu gewährleisten.
Einführung in die Welt der Lebensmittelkontaktmaterialien (FCM)
Lebensmittelkontaktmaterialien sind Hightech-Produkte, die zahlreiche Anforderungen erfüllen müssen. Sie dienen nicht nur dem mechanischen Schutz der Lebensmittel, sondern auch der Information des Verbrauchers und der Sicherstellung der Funktionalität, beispielsweise durch Barriereeigenschaften.
Darüber hinaus gewinnen Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr an Bedeutung: Zutaten müssen nachhaltigen Kriterien entsprechen, Verpackungen sollten recyclebar sein und idealerweise aus recyceltem Material bestehen. Attraktivität und Dekoration spielen ebenso eine Rolle, ohne dabei die sensorischen Eigenschaften wie Geruch und Geschmack der Lebensmittel negativ zu beeinflussen.
Globale Regulierungen im Überblick
Die gesetzlichen Vorgaben für Druckfarben auf Lebensmittelkontaktmaterialien unterscheiden sich weltweit erheblich. Zwei grundlegende Prinzipien dominieren die Gesetzgebung:
- Positive List Prinzip: Nur auf einer Positivliste aufgeführte Substanzen dürfen verwendet werden. Dies gewährleistet einen hohen Sicherheitsstandard, schränkt jedoch die Innovation ein.
- Negative List Prinzip: Alle Substanzen sind erlaubt, außer sie stehen auf einer Negativliste. Dies bietet mehr Freiheit, birgt jedoch auch höhere Risiken.
USA
Die USA regulieren Lebensmittelkontaktmaterialien über den Code of Federal Regulations, Title 21, der gute Herstellungspraxis (GMP) fordert. Spezifische Vorschriften für Druckfarben fehlen jedoch, sodass Hersteller von Druckfarben umfassende und transparente Informationen bereitstellen müssen, damit Verpackungshersteller die Sicherheit bewerten können.
Mercosur
Die Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) verfügen über eine Rahmenregelung aus dem Jahr 1992, die der europäischen ähnelt. Ein wichtiges Element ist die Erhöhung des Gesamtmigrationslimits auf 60 mg/kg, was eine Anpassung an europäische Standards darstellt. Für Kunststoffe existiert zudem eine Positivliste.
China
China führt mit der Norm GB48061 allgemeine Anforderungen ein, darunter die Liste A4 mit rund 200 Substanzen für Druckfarben – eine vergleichsweise geringe Anzahl. Die neue chinesische Druckfarbenverordnung (GB480614), die im September 2024 in Kraft tritt, stellt Hersteller vor Herausforderungen, da die Positivliste unzureichend für die Produktion konformer Druckfarben erscheint.
Indien
Indien verfolgt einen Negativlistenansatz, wobei Druckfarben der Norm IS 15495 entsprechen müssen. Wichtig: Direkter Lebensmittelkontakt mit bedruckten Oberflächen ist verboten, was die Anwendungen einschränkt.
Japan
Japan besitzt eine Positivliste für Polymere und Additive in Kunststoffen seit 2020, die Druckfarben jedoch nicht direkt reguliert. Stattdessen existiert eine freiwillige Negativliste der Japan Printing Ink Makers Association (JPIIMA), die etwa 700 Substanzen umfasst.
Europäische Gesetzgebung und Herausforderungen
In Europa bildet die Rahmenverordnung (EU) Nr. 1935/2004 das Grundgerüst für Lebensmittelkontaktmaterialien. Sie fordert, dass Materialien nach guten Herstellungspraxen gefertigt werden und keine Stoffe an Lebensmittel abgegeben werden dürfen, die die Gesundheit gefährden oder sensorische Eigenschaften verändern.
Die meisten spezifischen Vorschriften beziehen sich auf Materialien wie Kunststoffe oder Keramik, doch für Druckfarben existiert bislang keine eigene EU-Verordnung. Druckfarben müssen daher die allgemeinen Anforderungen erfüllen, wobei die europäische Kunststoffverordnung (EU) Nr. 10/2011 als Referenz für Migrationstests und Positivlisten herangezogen wird.
Good Manufacturing Practice (GMP) in Europa
Die GMP-Verordnung (EU) Nr. 2023/2006 regelt die Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien, einschließlich Druckfarben für indirekten Lebensmittelkontakt. Sie legt Anforderungen an Qualitätsmanagement, Rohstoffauswahl und Dokumentation fest, um Sicherheit und Qualität zu gewährleisten.
Zukünftige Entwicklungen im Rahmen des Green Deal
Die Europäische Kommission verfolgt mit dem Green Deal und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit ambitionierte Ziele, die auch die Revision der Rahmenverordnung betreffen. Geplant ist eine stärkere Fokussierung auf den Endartikel, bei dem alle migrierbaren Stoffe bekannt sein müssen, unabhängig davon, ob sie absichtlich oder nicht absichtlich enthalten sind.
Substanzen werden nach Gefährlichkeit priorisiert:
- Verbotene Stoffe, z.B. CMR-Kategorien 1 und 2
- Andere gefährliche Stoffe, die eine Zulassung benötigen
- Unbedenkliche Stoffe, für die der Hersteller verantwortlich ist
Die Förderung nachhaltiger Alternativen und die Substitution gefährlicher Stoffe stehen dabei im Vordergrund. Die Umsetzung wird voraussichtlich bis 2027/2028 erfolgen.
Schweizer und deutsche Druckfarbenverordnungen
Die Schweiz ist weltweit führend mit einer eigenen Druckfarbenverordnung, die auf einer Positivliste basiert und derzeit rund 1.000 Substanzen umfasst. Eine kürzlich erfolgte Revision wird ab 2026 die bisherige Liste B abschaffen, sodass Substanzen, die unter 10 ppb migrieren und nicht CMR-klassifiziert sind, nicht mehr gelistet werden müssen.
Die Definition von CMR ( (cancerogen)krebserzeugend, (mutagen) erbgutverändernd, (reproduktionstoxisch) fortpflanzungsgefährdend) ist jedoch Gegenstand laufender Diskussionen, insbesondere im Hinblick auf Datenlücken bei der Klassifizierung.
Die Verordnung verlangt zudem eine Konformitätserklärung für Druckfarben, welche durch den „Statement of Composition“ auf Verbandsniveau erfüllt werden kann.
Die deutsche Druckfarbenverordnung
Deutschland hat als Reaktion auf die Verzögerungen auf europäischer Ebene eine eigene Druckfarbenverordnung im Rahmen der Bedarfsgegenständeverordnung eingeführt, die ab Januar 2026 in Kraft tritt. Sie regelt erstmals auch Druckfarben mit direktem Lebensmittelkontakt.
Die Verordnung setzt eine Positivliste voraus, die sich an der Schweizer Liste orientiert, aber Unterschiede, insbesondere im UV-Druckbereich, aufweist. Nicht gelistete Substanzen dürfen unter strengen Bedingungen verwendet werden, sofern sie unter der Nachweisgrenze von 10 ppb liegen und nicht CMR-klassifiziert sind.
Die Verordnung betrifft nicht nur in Deutschland hergestellte Produkte, sondern alle, die in Deutschland in Verkehr gebracht werden, und könnte sich ähnlich wie die Schweizer Verordnung zu einer de facto internationalen Referenz entwickeln.
Brancheninitiativen und Selbstverpflichtungen
Da die Regulierung von Druckfarben weltweit unvollständig und uneinheitlich ist, haben die Druckfarbenhersteller in Europa eigene Konzepte und Richtlinien entwickelt, um Sicherheit zu gewährleisten:
- EUPIA Ausschlusspolitik: Eine Selbstverpflichtung, sehr gefährliche Substanzen strikt auszuschließen und bei Neuklassifizierungen Ersatzstoffe zu entwickeln.
- Leitlinien zur Herstellung von Druckfarben für Lebensmittelverpackungen: Detaillierte Vorgaben zur Rohstoffauswahl, Herstellung und Qualitätsmanagement, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen.
- UPIA GMP: Eine erweiterte Good Manufacturing Practice, die speziell auf Druckfarben zugeschnitten ist und Kontaminationen während der Produktion minimiert.
Besonderheiten bei UV-Druckfarben
UV-Druckfarben stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie reaktive Chemikalien wie Photoinitiatoren enthalten, die oft als Gefahrstoffe eingestuft sind. Die Industrie hat eine Liste geeigneter Photoinitiatoren für Lebensmittelkontakt entwickelt, die auch von Markeninhabern anerkannt wird.
Migrationstests und Risikoabschätzung
Migrationstests sind essenziell, um sicherzustellen, dass keine bedenklichen Stoffe in Mengen in die Lebensmittel gelangen, die Grenzwerte überschreiten. Die Industrie verwendet verschiedene Methoden:
- Worst-Case-Berechnungen, die annehmen, dass 100 % des Stoffes migrieren
- Migrationstests und Modellierungen zur realistischen Einschätzung der Migration
Darüber hinaus werden nicht absichtlich zugesetzte Stoffe (NIAS) toxikologisch bewertet, um sichere Grenzwerte (self derived SML) zu definieren. Diese Bewertungen stützen sich auf anerkannte Prinzipien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Statement of Composition
Da es bislang keine einheitliche Regulierung für Druckfarben gibt, wird ein „Statement of Composition“ erstellt, das detaillierte Informationen über alle potenziell migrierbaren Substanzen enthält – inklusive Hauptbestandteile, Verunreinigungen und NIAS. Dieses Dokument unterstützt Verpackungshersteller und Markeninhaber bei der Einhaltung gesetzlicher und kundenspezifischer Anforderungen.
Fazit und Ausblick
Die weltweiten Regelungen für gedruckte Verpackungen im Lebensmittelkontakt sind äußerst heterogen und oft unvollständig. Während Länder wie die Schweiz und Deutschland eigene detaillierte Verordnungen erlassen haben, fehlt auf europäischer Ebene bisher eine spezifische Druckfarbenverordnung.
Die Druckfarbenindustrie reagiert darauf mit eigenen strengen Selbstverpflichtungen, Leitlinien und umfassenden Risikoabschätzungen, um die Sicherheit von Lebensmittelverpackungen zu gewährleisten. Der Blick in die Zukunft zeigt, dass mit der Umsetzung des europäischen Green Deals und der Chemikalienstrategie eine stärkere Regulierung und Priorisierung von gefährlichen Substanzen zu erwarten ist.
Die Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette – von Rohstofflieferanten über Druckfarbenhersteller bis hin zu Verpackungsherstellern und Markeninhabern – ist entscheidend, um den hohen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden und Innovationen zu fördern.
Derzeit sind wir in einer Übergangsphase, die viel Arbeit und Anpassungen erfordert, doch das Ziel bleibt klar: sichere, nachhaltige und konforme Lebensmittelverpackungen, die den Verbraucherschutz gewährleisten.